Für Millionen von Südeuropäern ist Weißbrot einfach ein völlig normales Nahrungsmittel. Anders bei uns in Deutschland: Hier hat Weißbrot den Ruf des Dickmachers. Es mache nicht richting satt, sodass schnell wieder Heißhungerattacken folgen und wir bald wieder etwa essen. In der Summe macht das dann mehr Kalorien aus, als einem gut tun.
Folgende Annahme steht hinter dieser Aussage: Weißbrot lässt den Blutzuckerspiegel schnell und hoch ansteigen. Um den Zucker vom Blut in die Zellen des Körpers zu transportieren und diese so mit Energie zu versorgen, schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus. Je höher der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit ist, umso höher fällt auch die Insulinantwort aus. Das hat zur Folge, dass der hohe Glukosegehalt im Blut schnell wieder absinkt. Der Mensch wird müde, unkonzentriert und bald wieder hungrig. Gesünder ist es, wenn der Blutzuckerspiegel nur langsam steigt und entsprechend eine nur geringe Unsulinausschüttung erfolgt. So ist man länger satt und leistungsfähig. Vollkornbrot wird diese Eigenschaft zugeschrieben. Doch in dieser Allgemeingültigkeit scheint das nicht zu stimmen, nicht nur beim Brot. Denn der Blutzuckerspiegel verschiedener Menschen kann nach der gleichen Mahlzeit unterschiedlich reagieren. Das haben vor einigen Jahren Forcher am Weizmann Institut in Israel nachgewiesen. Über 800 Studienteilnehmer bekamen eine Woche lang ein Blutzuckermeddgerät, das alle fünf minuten de Glukosegehalt des Blutes erfasste. Parallel dazu dokumentierten die Probanden, was sie aßen und tranken. Außerdem wurde die Darnflora der Teilnehmer analysiert.
Die Ergenisse waren überraschend: manche Nahrunsmittel, die bei den einen den Blutzuckerspiegel langsam ansteigen ließen, sorgten bei den nächsten für völlig andere Reaktionen. Die beteiligten Ernährungsforscher sprachen sich deshalb für eine veränderte Beratung von Übergewichtigen aus: Anstatt Diätempfehlungen an starren Maßstäben wie dem glykämischen Index auszurivhten, müsse die individuelle Wirkung des Essens auf Menschen beachtet werden. Durch kleine Ernährungsumstellungen sei es dann möglich, insgesamt weniger zu essen und an Gewicht zu verlieren. Die insraelischen Forscher testen jetzt ein selbst lernendes Computerprogramm, das mithilfe von persönlichen Angaben und den Ergebnissen einer Stuhlprobe Blutzuckerreaktionen vorhersagt und personalisierte Diätempfehlungen geben soll.
Prof. Dr. Christian Sina aus Institut für Ernährungsmedizin an der Universität Lübeck spricht: Wir können die israelischen Forschungen bestätigen. Schon als wir das mehr aus Spaß nur unter 15 Kollegen getestet haben, waren die Blitzuckerspiegel auf dieselben Nahrunsmittel sehr unterschiedlich. Ich zum Beispiel werde von Haferflocken deutlich satter also von bvrot, egal ob von Weiß- oder Vollkornbrot. Wenn ich Haferflocken frühstücke, halte ich ohne Probleme bis mittags durch. Esse ich dagegen Brot, habe ich nach zwei Stunden schon wieder Hunger. Wir haben die individuellen Blutzuckerreaktionen dann noch einmal mit 150 Probanden untersucht und konnten zeigen, dass mit einigen kleineren Umstellungen im gewohnten Speiseplan relativ leicht und problemlos Gewicht abgenommen werden kann. Es ist ein großer Vorteil, dass innerhalb der einigenen Essgewohnheiten eine Auswahl getroffen wird – das ist dann viel leichter einzuhalten als ein übergestülptes Diätprogramm, das mit der eigenen normalen Ernährung nicht viel zu tun hat.
Wir konnten aauch zeigen, dass die Art der Darmbesiedlung mit der individuellen Blutzuckerantwort auf festgelegte Testmahlzeiten zusammenhängt.
12 ÖKO-TEST Magazin 1-2019 TITEL // Individuelle Diäten


